Die Eskalation des Krieges in der Ukraine vor drei Jahren stellte die internationale humanitäre Gemeinschaft, einschließlich OlamAid, vor eine große Herausforderung. Der Krieg und seine Konsequenzen in Europa erforderten eine schnelle Reaktion und verstärkte Zusammenarbeit.
Unsere Maßnahmen für die vom Krieg betroffenen Gemeinschaften - sowohl in als auch außerhalb der Ukraine - haben unsere Organisation grundlegend verändert. Die Zusammenarbeit mit unseren Partnern hat uns in unserer Überzeugung bestärkt, dass Werte wie Respekt, Nachhaltigkeit, Anpassungsfähigkeit und Inklusion von entscheidender Bedeutung sind. Wir sind zuversichtlich, dass wir uns auch weiterhin gegenseitig unterstützen können, solange dies notwendig ist.
Nachfolgend ein kleiner Einblick in die humanitäre Arbeit von OlamAid in und außerhalb der Ukraine der letzten drei Jahre - in Kooperation mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und gefördert durch Aktion Deutschland Hilft.
Gal, Geschäftsführer OlamAid: “Unser Schwerpunkt liegt auf besonders gefährdete Gruppen, wie Minderheiten, Kinder - Waisenkinder -, Gemeinschaften an der Front und mehrfach Binnenvertriebene. Aufgrund unserer tief verwurzelten Verbindung zur jüdischen Gemeinschaft sind wir bestrebt, Bedürfnisse zu erfüllen, die oft unberücksichtigt bleiben. Angesichts der wachsenden Risiken für gefährdete Gruppen werden ihre Herausforderungen weiter zunehmen – aber damit auch unser Engagement. Mit unserer Identität und unseren bewährten Ansätzen stehen wir ihnen auch in Zukunft verlässlich zur Seite.”
Bereits im Januar 2022 – noch vor der großflächigen Invasion – haben wir in den Regionen Donezk und Luhansk gemeinsam mit unseren lokalen Partnerinnen Avalist psychologische Erste Hilfe geleistet und eine 24/7 Hotline für Kriegsbetroffene eingerichtet. Als der Krieg eskalierte und die Zahl der Betroffenen sprunghaft anstieg, wurde das Projekt ausgeweitet. Neben psychologischer und psychosozialer Unterstützung begannen wir, Hilfsgüter bereitzustellen, die kritische Infrastruktur wieder aufzubauen und Notfall-Schutzräume (Emergency Safe Spaces) einzurichten.
Im Sommer 2022 gründeten wir ein Gemeinschaftszentrum (Community Hub) in Rumänien zur Unterstützung ukrainischer Geflüchteter. 2023 haben wir unsere Aktivitäten auf die benachbarten Länder Rumänien, Republik Moldau und Polen ausgeweitet. Dort setzen wir uns gemeinsam mit unseren lokalen Partnern dafür ein, das psychische Wohlbefinden sowie die Integration von besonders vulnerablen Gruppen und Minderheiten aus der Ukraine zu fördern.
Seit der Befreiung der Region Kyjiw arbeiten wir zudem mit der lokalen Organisation District1 zusammen, um Schulen und Kindergärten wieder aufzubauen und Hilfsgüter zu verteilen - insbesondere im Winter liegt unser Fokus auf Heiz- und Energieversorgung.
Mit der Zeit wurde deutlich, dass es nicht nur darauf ankommt, schnell zu reagieren und das Hilfsvolumen zu steigern, sondern auch auf die Nachhaltigkeit der Unterstützung. Wahre Hilfe bedeutet nicht nur materielle Ressourcen, sondern auch sozialen Zusammenhalt. In den letzten drei Jahren haben wir daher unseren Schwerpunkt auf besonders vulnerable Gruppen gelegt – darunter Waisenkinder, Minderheiten wie Roma sowie mehrfach Binnenvertriebene. In dem Bewusstsein um die Bedeutung eines inklusiven Ansatzes kooperieren wir mit jüdischen Gemeinschaften in der Ukraine und darüber hinaus. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit haben wir bereits acht Emergency Safe Spaces in der Ukraine geschaffen, teilweise in enger Partnerschaft mit jüdischen Gemeinschaften.
Allein in der Ukraine konnten wir in den letzten drei Jahren mehr als 1.400.000 Menschen unterstützen.
Svitlana, Projektkoordinatorin: "In Kachowka, nach der Zerstörung des Staudamms, hat unser Projekt für die betroffene Region Wasserfilter bereitgestellt. In Siversk (Donezk Region) - eine schwer zu erreichende und stark betroffene Stadt an der Front - lieferten wir Mehl für die örtliche Gemeinde, um Brot zu backen. Wir reagieren schnell auf Notfälle und helfen dort, wo es am nötigsten ist. Dies war dank unserer Anpassungsfähigkeit und der flexiblen Zusammenarbeit mit Aktion Deutschland Hilft und lokalen Organisationen in der Ukraine möglich."
Bereits im September 2022 sind eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gekommen – vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Seit 2016 verfolgt OlamAid einen ganzheitlichen Ansatz zur Unterstützung von Geflüchteten: Wir verknüpfen interkulturelle mentale Gesundheit und psychosoziale Unterstützung (engl.: MHPSS) mit Integrationsarbeit für Geflüchtete durch Leadership und aktive Teilhabe. Dieser Ansatz bildet auch die Grundlage unserer Arbeit mit ukrainischen Geflüchteten.
Im April 2022 begannen unsere Kunsttherapeut:innen mit Therapiesitzungen in Unterkünften und Gemeinschaftszentren, um sowohl Kinder als auch Erwachsene dabei zu unterstützen, die mentalen Belastungen und Traumata der Flucht zu bewältigen. Im Juli wurde dann die erste Leadership- und Teilhabe-Gruppe in Berlin ins Leben gerufen, die eigene Aktivitäten und Hilfsaktionen für die Gesellschaft, ihre Community und andere Geflüchtete leisten. Dabei unterstützen sich die Teilnehmer:innen gegenseitig, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Im September wurde dann auch die erste Gruppe in Frankfurt am Main ins Leben gerufen, gefolgt von einer in Bonn im Jahr 2023.
Ein herausragender Erfolg des Projekts ist die Förderung sozialer Kontakte und die aktive Einbindung der Teilnehmenden in die Gesellschaft. Burnout-Prävention, mentale Stabilisierung, kulturelle Veranstaltungen und Stadterkundungen trugen dazu bei, die mentale Gesundheit und psychosoziale Unterstützung nachhaltiger und wirksamer zu gestalten.
Zum Jahresbeginn 2025 hat das Projekt rund 15.000 Menschen erreicht und mehr als 8.000 unterstützende Maßnahmen und Begegnungen durchgeführt.
Besonders wirkungsvoll sind Navigator:innen, die nicht nur Teil der Leadership- und Teilhabe-Gruppen sind, sondern auch zusätzliche Verantwortung übernehmen und neue Initiativen ins Leben rufen. Direkt nach dem Abschluss der ersten Leadership-Gruppe im Jahr 2022 gründete die Navigatorin Aliona eine Playback-Theatergruppe. Innerhalb von zweieinhalb Jahren nahmen über hundert Menschen an diesen Initiativen teil, und einige von ihnen gründeten zwei unabhängige Playback-Theater. In Frankfurt am Main initiierten Navigator:innen Buchclubs, starteten Podcasts, organisierten Sprachcafés und veranstalteten kreative sowie resilienzfördernde Workshops.
Oft engagieren sich Ukrainer:innen nach dem Abschluss von Leadership-Gruppen aktiv in weiteren Projekten von OlamAid und arbeiten in internationalen Teams gemeinsam mit anderen von Krisen betroffenen Menschen. Im Jahr 2024 reiste eine Gruppe von Freiwilligen im Rahmen des Projekts “Horizont International” an die ukrainisch-moldauische Grenze, um Hilfe zu leisten und Kontakte zu lokalen Unterstützungszentren für Geflüchtete zu knüpfen. Ukrainer:innen beteiligten sich zudem an Hilfsaktionen für Gemeinden, die 2024 von Hochwasser in Deutschland und Polen betroffen waren. Insgesamt sind sie zu einem unverzichtbaren Teil unserer Freiwilligen-Community geworden – nicht nur in Berlin und Deutschland, sondern auch in Rumänien, der Republik Moldau, Polen und Griechenland.
Die Möglichkeit, mit Menschen verschiedener Kulturen in Kontakt zu treten und Vorurteile abzubauen, ist eine wertvolle Erfahrung. Doch für die meisten Freiwilligen steht der Wunsch zu helfen im Mittelpunkt: „Zuerst wurde uns geholfen – jetzt helfen wir“. Aufrichtige Dankbarkeit, die in aktive Unterstützung anderer übergeht, ist einer der entscheidenden Faktoren beim Abbau sozialer Barrieren. Anstelle von Ohnmacht und Isolation finden Menschen die Kraft, diejenigen zu unterstützen, die einen ähnlichen Weg gehen.
Irina, Navigatorin: „Wenn man als Geflüchtete:r ankommt, macht man sich nicht bewusst, welche Arbeit die Freiwilligen geleistet haben, damit diese Hilfe einen erreicht. Jetzt verstehe ich: Auch für sie ist das nicht einfach – diese Unterstützung kommt nicht aus dem Nichts, sie ist auch ein emotionaler Einsatz für uns. Nach unserer ersten Reise nach Moldau war ich sehr traurig, weil mir klar wurde, dass wir nicht allen helfen können. Doch diese Erfahrung half mir, zu verstehen, wie alles funktioniert. Jetzt weiß ich, wie es funktioniert, und ich kann dieses Wissen in Zukunft nutzen, um noch mehr zu tun und anderen zu helfen.“
In herausfordernden Situationen beobachten wir, wie Menschen zu Vorbildern werden und das Beste der Menschlichkeit zeigen. Solche Personen haben wir in unserem Team, unter unseren Partnern und in den von uns unterstützten Menschen gefunden. Dies ist eine inspirierende Erfahrung, die es uns ermöglicht, starke Verbindungen zu besonders vulnerablen Gruppen aufzubauen und Hilfe dort zu leisten, wo sie am dringendsten benötigt wird. Die Unterstützungsstruktur, die wir schaffen wollten, ist Realität geworden.